Über Ligaturen


1. Allgemeines

Auf den historischen Hintergrund von Ligaturen wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen; es sei auf Nachschlagewerke und typographische Fachbücher verwiesen. Nur soweit: Ligaturen sind, kurz gesagt, eine Verschmelzung eines Buchstabenpaars oder -drillings zu einer einzigen Glyphe. Ursprünglich wurden diese von Schriftgießern für den Bleisatz entwickelt, damit nicht zwei schmale, sensible (zerbrechliche) Buchstaben-Kegel (wie f oder i) nebeneinanderstehen müssen. Weiterhin waren im Bleisatz Buchstaben-Kombinationen problematisch, bei denen ein Buchstabe einen Überhang (langes Minuskel-s oder Minuskel-f, Abb. 1a) oder langen Fuß (kursives Minuskel-f oder -y, Abb. 1b) zeigte und damit unschön in den benachbarten Buchstaben hineingedruckt wurden. Bei Buchstaben mit Überhang (ſ ,f) gilt das oft für folgende Buchstaben mit Punkt (i) oder Trema (z.B. deutsche Umlaute: ä, ö, ü), siehe dazu Abb. 1c und Abschnitt 5.2. Die Anordnung beider Buchstaben auf einem einzigen Kegel ermöglichte dagegen die Zeichnung einer einzelnen Glyphe, bei denen beispielsweise der Kopf vom Minuskel-f und dem i-Punkt des nachfolgenden Buchstabens harmonisch verbunden waren (Abb. 1c, Position 2 und 4). Anstelle von zwei problematischen Kegeln konnte nun ein einzelner Kegel wie jeder andere Buchstaben-Kegel eingesetzt werden. Nebenbei erhöhen Ligaturen, richtig angewendet, durch die harmonische Verschmelzung zweier Buchstaben die Lesbarkeit.

Abb. 1 | Beispiele, gesetzt aus der Libertinus Serif mit LuaTeX. Zur Beschreibung siehe Text. In Zeile 1c wird die schmale f-Form vor ä, ö und ü eingesetzt, so daß sie nicht in die Umlaut-Punkte reinragt.

Auch das im Deutschen geläufige Eszett ist eine Ligatur (aus langem und kurzem Minuskel-s); auf das Eszett wird an anderer Stelle eingegangen.


2. Kleine Ligaturenkunde

Nahezu jede moderne Schriftart für Computersysteme enthält Ligaturen. Die bekanntesten sind die sog. Standard-Ligaturen fi und fl, die es neben Antiqua- (Abb. 2a) und Frakturschriften (Abb. 2c) meist sogar in serifenlosen (Abb. 2b) und Quellcode-Schriften gibt. Je nach Textart und Anwendungsfall können diese Ligaturen ein Gewinn für die Lesbarkeit bedeuten (insbesondere bei längeren Lesetexten, z.B. Prosa); in anderen Fällen sind sie bestenfalls ein nette Spielerei ohne Mehrgewinn: In serifenlosen Schriften kommt es durch den eher statischen Buchstabenkorpus meist ohnehin nicht zu der Gefahr einer ungewollten Buchstabenüberlagerung (vgl. Abb. 2b). In Frakturschriften, besonders bei deutschen Texten, gibt es dagegen sogar eine ganze Reihe von sog. Zwangsligaturen, die eingesetzt werden müssen (siehe dazu Abschnitt 2.1.5).

Abb. 2 | Dieselben Ligaturen in drei Schriftgruppen (Antiqua, Serifenlose, Gebrochene).

2.1 Arten von Ligaturen

2.1.1 Standard-Ligaturen

Die in lateinischen Schriften oft vorkommenden Buchstabenkombinationen f-i und f-l bilden die sog. Standard-Ligaturen. Sie sind in nahezu jeder modernen Satzschrift enthalten, und werden darüberhinaus in fast jedem Fall automatisch gesetzt (eben "Standard"). Das gilt sowohl für LibreOffice als auch für TeX, d.h. man muß deren Setzen bewußt unterdrücken, wenn man etwas dagegen hat (siehe Abschnitt 4). In den meisten Fällen können diese beiden Ligaturen bedenkenlos gesetzt werden, jedoch sind sie in deutschen Texten an Wortfugen korrekterweise aufzulösen (siehe Abschnitt 2.3 und 4). Im Wort "Schilfinsel" wird den wenigsten Lesern die fi-Ligatur an der Wortfuge auffallen, aber eigentlich ist sie hier typographisch falsch.

2.1.2 Ergänzende (freie) Ligaturen

In Antiqua-Schriften können noch viel mehr Ligaturen aus typischen Ligaturbuchstaben gebildet werden: sie sind Bestandteil gut ausgebauter digitaler Antiqua-Schriften. Denn was für f-i und f-l gilt, das betrifft auch f/ſ und alle folgenden Buchstaben mit Oberlänge (h, k usw.) oder der Überhang-Problematik (Abschnitt 5.2). Ich weise vorsorglich darauf hin, daß einige Ligaturen in deutschen Texten überhaupt nicht anwendbar sind (z.B. fb).

(Folgende Beispiele werden nur mit dem Minuskel-f gezeigt: sie gelten aber auch für das lange, heute in Antiqua-Texten nicht mehr gebräuchliche ſ.)

  • wo ein i Probleme mit dem Punkt macht, gilt das auch für j – also gibt es die Ligaturen fj und sogar ij. Erweitert man das mit einem vorangehenden Doppel-f, ergeben sich außerdem ffi, ffj und fij
  • mit dem Kleinbuchstaben b kann man dann bilden: fb, ffb
  • mit dem Kleinbuchstaben h kann man dann bilden: fh, ffh
  • mit dem Kleinbuchstaben k kann man dann bilden: fk, ffk
  • mit dem Kleinbuchstaben t kann man dann bilden: ft, fft
  • die Ligatur f-l gehört zu den Standard-Ligaturen; auch hier kann man mit Doppel-f bilden: ffl
  • weiterhin die Doppelkonsonanten ll, ff, tt, selten auch bb, gg und pp (letztere drei z.B. in der Junicode-Schriftart enthalten)
  • auch mit Großbuchstaben sind Ligaturen möglich: Th und Qu
  • in deutschen Texten werden, falls verfügbar, die häufigen Ligaturen ch (sch), ck und tz wirksam (siehe auch Abschnitt 5.1)
  • für englische Texte wichtig: Ligaturen mit -y, also: fty, fy und ähnliche

Weitere Ligaturen (die im Deutschen bestenfalls in Eigennamen auftreten, aber in skandinavischen Sprachen häufig sind): Æ æ Œ œ

2.1.3 "Historische" Ligaturen

Unter den sog. historischen Ligaturen werden oft genannt ct und st, jeweils mit einem zierenden Kringel verbunden (Abb. 3a). Solcherlei Ligaturen sind nicht für den Lesetext bestimmt (da sie dort zu sehr ablenken), sondern für kurze Texte (Gedichte) oder Titelei. Die Ligatur ct kann in deutschen Texten sowieso nie eingesetzt werden, in englischen oder lateinischen schon (Abb. 3b). Auf keinen Fall sollte man damit die Abkürzung für die Währung Cent setzen! Und bei der Wortfuge mit Genitiv-s (Abb. 3c) ist die Ligatur ohnehin falsch!

Die Ligatur st (mit Kringel) kann, jedoch mit Bedacht und Zurückhaltung!, auch in deutschen Texten als "Hingucker" stehen (Abb. 3d).

Abb. 3 | Beispiele für die "historischen" Ligaturen ct und st.

2.1.4 Schmuckligaturen

Schmuckligaturen sind üblicherweise Formenvarianten, die wie die "historischen" Ligaturen nur mit Zurückhaltung, am besten nur in Titelei einer angemessenen Textart, angewendet werden dürfen. Abbildung 4 zeigt einige Beispiele aus der Junicode-Antiqua. Manche der Buchstaben (im Beispiel die n-Variante) eignen sich als "abschließendes Schwänzchen" von Einzeilern (Überschriften).

Abb. 4 | Beispiele für Schmuckligaturen.

2.1.5 Zwangsligaturen (deutsche Texte in gebrochener Schrift)

Die Bedeutung von Ligaturen ist in gebrochenen Schriften (Textur, Rundgotisch, Schwabacher, Fraktur und bastardoide Formen) viel wichtiger als in Antiqua-Texten. Sie sind in digitalen Schriftarten dieser Gruppe deswegen auch üblicherweise in größerer Zahl enthalten (nach wie vor empfehlenswert: Angebot freier gebrochener Schriften bei Ligafaktur).

Bei den gebrochenen Schriften kommen sog. Zwangsligaturen zum Einsatz, d.h. Ligaturen, die immer gesetzt werden müssen. Das sind neben fi und fl (Abb. 5a) auch ch (sch), ck und tz (Abb. 5b). Stehen die Ligaturen an Wortfugen (fi, fl, tz), werden sie selbstverständlich aufgelöst (Abb. 5c, siehe Abschnitt 4). Auch Ligaturen aus Doppelkonsonanten (ll, tt) sind nicht selten (Abb. 5d).

Abb. 5 | Beispiele für Zwangsligaturen in gebrochenen Schriften. Die hier gezeigte Schriftart ist die Burgundica (sog. Bastarda), die kostenfrei auf der Ligafaktur-Seite erhältlich ist. Sie ist vollprogrammiert, d.h. die Ligaturen werden automatisch gesetzt (5a), das lange Minuskel-s wird beim Anlaut automatisch gesetzt (5b beim Wort "schon") und die Ligaturen werden an Wortfugen auch automatisch aufgelöst (5c).

Da in Texten mit gebrochener Schrift außerdem das lange Minuskel-s = ſ eingesetzt wird, kommen weitere Ligaturen damit hinzu: ſi, ſl, ſſ und ſt (Abb. 5e). Die Ligaturen ſl und ſk sind (waren) z.B. im skandinavischen Sprachraum geläufig, sind aber für den Satz deutscher Texte mit gebrochenen Buchstaben irrelevant. (Stehen s+l oder s+k an Wortfugen – und das tun sie im Deutschen fast immer – wird ohnehin nicht das lange s = ſ geschrieben, sondern als Auslaut-s das runde [heute uns geläufige] s.)

Moderne digitale Satzschriften sind programmiert, d.h. die Eingabe des entsprechenden Buchstabenpaars wird automatisch durch die Ligatur ersetzt. Die freien Schriftarten von Ligafaktur sind ein vorbildliches Beispiel, wie das funktionieren kann: Hier wird sogar automatisch die korrekte s-Form eingesetzt (ſ oder s), vgl. Abb. 5e. Möchte man aber eine nicht-programmierte Schriftart benutzen, kommt man über das manuelle Austauschen der Buchstabenpaare gegen die Ligatur nicht herum. Folgende (unvollständige) Ersetzungstabelle soll beim Suchen & Ersetzen helfen:

  • ch: nicht, ich, dich, nach, sich, mich, noch, endlich, doch, durch, auch, wirklich, brauch*, einfach, nichts, möcht*
  • ss zu ß: dass, aufdass, muss
  • ſ: diese*, unsere, unseres, sein*, so, seit, sehe, ebenso, sieht, sozusagen, sey, sage*, soll*, gewesen, sehr, somit, sowieso, also, setz*, sogar, sofort, sondern, siehe, seltsam*, soweit, saß, zusammen, säße, beispielsweise, spazieren, Beispiel, sodaß, sofern, Person, sah, sagt*, leise, gesehen, langsam, sobald
  • ſi: sie, sind, sich
  • ſt: ist, selbst, willst, bist, hast, wirst
  • tz: jetzt, trotzdem, Antlitz

* kennzeichnet einen Teil des Wortstamms mit variablen Endungen

2.2 Welche Ligaturen enthält die Schriftart? Was kann sie leisten?

Wie läßt sich nun feststellen, welche Ligaturen die Schriftart enthält? Denn wie in der Einführung bereits beschrieben, enthalten moderne Antiqua-Schriften zwar fast immer fi und fl, aber das war es oft auch schon. Nur gut ausgebaute Schriften können mit vielen weiteren Ligaturen punkten.

Ein Blick in die Glyphentabelle gibt Auskunft. Im Betriebssystem selbst nennt sich so ein Programm "Zeichentabelle", oder man ruft es aus dem Schreibprogramm heraus auf: Bei LibreOffice über Einfügen/Sonderzeichen (Abb. 6).

Abb. 6 | Glyphentabelle (Zeichentabelle) in LibreOffice.

Oben rechts kann man den Unicode-Block filtern; die Ligaturen stecken meist in "Alphabetische Präsentationsformen" (Abb. 7).

Persönlich nutze ich gerne das Programm Fontmatrix, das etwas übersichtlicher ist (Abb. 8). Hier stecken ergänzende Ligaturen im Unicode-Block "Private Use Area", einer Art freien Ablage für den Designer. Man erkennt in Abb. 8 die historische Ligatur ct (mit Kringel) sowie fj, ffy, fty, ty und viele weitere.

Abb. 8 | Glyphentabelle im Programm Fontmatrix.

2.3 Zur Beachtung: Ligaturen in deutschen Texten

Die deutsche Sprache ist die einzige im lateinischen Sprachraum, bei der es hinsichtlich des Einsatzes von Ligaturen Beschränkungen gibt. In allen anderen lateinischen Sprachen werden Ligaturen, wo vorhanden und möglich, rigoros eingesetzt. Gleichwohl gibt es im Englischen auch Wörter, die einfach besser aussehen, wenn die Ligatur aufgelöst würde (z.B. off-line); Wortzusammensetzungen sind dennoch im Englischen viel seltener, denn meist entspricht ein Wort auch einem Morphem.

Laut gängiger Konvention dürfen Ligaturen in deutschsprachigen Texten nicht an Wortfugen eingesetzt werden. Um dieser Regelung nachzukommen, gibt es folgende Hinweise:

  • Sowohl in TeX als auch in herkömmlichen Textsatzprogrammen (LibreOffice u.a.) ist der Setzer gezwungen, alle möglichen Buchstabenkombinationen, die in der gewählten Schriftart eine Ligatur bilden können (siehe Abschnitt 2.4), manuell zu suchen und dann zu entscheiden, ob die Ligatur an einer Wortfuge steht. Eine automatisch gesetzte Ligatur muß dann an dieser Stelle unterdrückt werden (siehe Abschnitt 4). Das kann bei langen Texten viel Zeit und Konzentration kosten. Tip: Substantiv-Ligaturen können an unklaren oder unübersichtlichen Stellen fast immer durch Auf­lösung in zwei Wörter, verbunden mittels Bindestrich, vermieden werden.
  • Für Nutzer von LuaTeX bietet sich das Paket selnolig an, das dank einer integrierten Whitelist alle Ligaturen an bekannten Morphem-Grenzen selbständig auflöst.
  • Wer sich beim Setzen gebrochener Schriften einer vollprogrammierten Schriftart von Ligafaktur bedient, hat es einfach: Hier werden falsche Ligaturen an Wortfugen automatisch aufgelöst.
  • In einigen Fällen kann durch die Unterdrückung der Ligatur eine unschöne, da auffällige Lücke entstehen, die (entgegen dem Sinn einer Ligatur) die Lesbarkeit wiederum verringert (siehe dazu Abschnitt 5.2).
  • Ligaturen an Wortfugen gelten nicht, wenn das Wort eine Nachsilbe enthält, die auf i endet (-ig, isch u.a.). Ein Wort wie „käuflich“ kann also mit der fi-Ligatur gesetzt werden.

Position, Gebrauch und Wirksamkeit von Ligaturen hängen maßgeblich von der Sprache und der verwendeten Schriftart ab!


3. Ligaturen in der Textverarbeitung

3.1 LibreOffice

In den meisten modernen Satzschriften sind die Standardligaturen per Standard aktiviert. Beim Tippen werden die Buchstaben-Paare f-i und f-l automatisch durch die Ligatur ersetzt.

Grundsätzlich wichtig ist die korrekte Spracheinstellung des Dokuments (Menü Extras|Sprache). Auch fremdsprachige Abschnitte sollten im gleichen Menü korrekt eingestellt werden, schon allein wegen der notwendigen Umbruch-Algorithmen.

Zum Verständnis der Ligaturen-Verfügbarkeit sollte man sich etwas mit OpenType-Kürzeln auskennen. Die Standardligaturen werden hierbei mit liga angesprochen, historische Ligaturen finden sich in hlig, und freie Ligaturen in dlig (discretionary ligatures). Siehe dazu auch hier.

Sollen beispielsweise alle Überschriften mit den Ligaturen aus hlig und dlig gesetzt werden, so öffnet man die Absatzvorlage und ergänzt die Zeile der Schriftart (Abb. 9):

Abb. 9 | Aktivierung von Ligaturen in einer Absatzvorlage. Mehrere OpenType-Feature-Blöcke werden mit & getrennt.

Voraussetzung ist selbstverständlich, daß die Schriftart mit hlig/dlig-Ligaturen ausgestattet ist und generell OpenType unterstützt! Um das herauszufinden, kann man bequem die Webseite Fontdrop! benutzen: Dabei wird die Schriftarten-Datei in den oberen Bereich der Webseite per Drag & Drop abgelegt. Im Abschnitt „OpenType features“ kann man dann feststellen, welche OpenType-Blöcke nutzbar sind (Abb. 9).

Abb. 10 | Die Webseite Fontdrop! für die schnelle Schriftarten-Analyse. Die üblichen Ligaturen-Blöcke sind rot umrandet.

3.2 TeX

Wie auch in herkömmlichen Textverarbeitungen ist bei TeX die Deklaration der verwendeten Sprache wichtig, denn sie bestimmt den Wortumbruch-Algorithmus und die Verwendung der eingesetzten Ligaturen. Ist das Dokument einsprachig, so gibt man die verwendete Sprache in der Präambel an (üblicherweise Paket „babel“). Gibt es aber Abschnitte, in denen die Sprache wechselt, muß das über Umgebungen festgelegt werden. Beispielsweise werden dann in englischen Abschnitten fb-Ligaturen gesetzt, in deutschen aber nicht.

Die Standard-Ligaturen f-i und f-l werden auch unter TeX automatisch gesetzt. Wer aber intensiver mit Ligaturen arbeiten möchte, der sollte gleich von pdfLaTeX wegkommen und stattdessen auf XeTeX, besser noch LuaTeX wechseln. Die OpenType-Funktionen einer Schriftart werden mit diesen Prozessoren einfach besser unterstützt.

Abb. 11 | Ausschnitt aus einer LuaTeX-Präambel. Der jeweils verwendeten Schriftart werden die zu verwendenden Ligaturen mitgeteilt (rot unterstrichen).


4. Ligaturen unterdrücken

Das automatische Setzen von Ligaturen ist schön und gut. Aber in deutschen Texten müssen an Wortfugen die Ligaturen wieder zu Einzelbuchstaben getrennt werden (siehe auch Erläuterungen und Hinweise in Abschnitt 2.3).

4.1 LibreOffice

Naheliegend ist das Einfügen eines sog. weichen Trennzeichens (Strg + -), das normalerweise dazu dient, um dem Programm eine optionale Trennstelle mitzuteilen. Zum Beispielwort mit fi-Ligatur (Abb. 12a) zeigt Abb. 12b das Ergebnis mit weicher Trennstelle. Das Resultat ist unbefriedigend und unschön, da das f mit seinem Überhang immer noch zu weit in den i-Punkt hineinragt (siehe auch Problematik in Abschnitt 5.2). Ordentlich wird die Ligatur aufgelöst, indem man die Ligatur markiert und dann den OpenType-Block „liga“ mit vorangestelltem Minus deaktiviert (Abb. 13).

Abb. 12 | Beispiele für das Unterdrücken einer Ligatur in LibreOffice.

Abb. 13 | Korrektes Auflösen einer Ligatur in LibreOffice. Das Ergebnis (Abb. 12c) ist jetzt ansprechend, u.a. weil eine schmale f-Variante benutzt wird. (Diese muß selbstverständlich in der Schriftart enthalten sein!) Näheres dazu in Abschnitt 5.2.

Auf diese Weise kann man Ligaturen aus dem OpenType-Block „liga“ deaktivieren. Wird die Ligatur aber aus einem anderen Block bereitgestellt, muß eben dieser aktiviert werden. Im Beispiel kommen Ligaturen sowohl Standardligaturen (liga, 1. Wort) als auch freie Ligaturen (dlig, 2. Wort) als auch historische Ligaturen (hlig, 3. Wort) zum Einsatz (Abb. 14a). Man beachte den roten Rahmen: nur hlig und dlig sind zugeschaltet, weil liga ohnehin aktiviert ist.

Abb. 14 | Beispiele für das Deaktivieren von Ligaturen aus verschiedenen OpenType-Feature-Blöcken.

Im 2. Wort „Nachtzug“ steht die Ligatur an der Wortfuge, also muß hier dlig ausgeschaltet werden. Beim 3. Wort steht die Schmuckligatur an der Genitiv-s-Fuge, also muß hier hlig ausgeschaltet werden. In beiden Fällen markiert man die betreffenden Buchstaben und stellt entweder hlig oder dlig in der Schriftart-Zeile ein Minus (Bindestrich) voran (gezeigt in Abb. 14b nur für hlig). Die fi-Ligatur im 1. Wort bleibt unberührt, denn sie ist korrekt. Das Ergebnis zeigt Abb. 14b.

zu Abb. 14 | Ergebnisse nach der Ligaturen-Unterdrückung.

Das gezeigte Verfahren bedeutet eine nicht unerhebliche Nachbearbeitung des Gesamttextes. Je mehr Ligaturen eingesetzt werden sollen, desto mehr Nacharbeit ist notwendig (siehe Arbeitshilfe in Abschnitt 4.3).

Bei vollprogrammierten Schriftarten für gebrochene Schriften (z.B. von Ligafaktur) werden Ligaturen ohne Zutun an Wortfugen und anderen unpassenden Stellen aufgelöst (vgl. Abb. 5c).

4.2 TeX

Der bekannte Befehl zum Auflösen (Unterdrücken) einer automatisch gesetzten Ligatur lautet \/ = Backslash + Schrägstrich. Er wird zwischen die Buchstaben gesetzt, beispielsweise Kauf\/haus. Allerdings dient das Kommando eigentlich der sog. Kursivkorrektur (siehe hier) und kann bei einigen Schriften zu unharmonischen Buchstabenabständen führen, die das Wort gänzlich zerreißen. Besser (und richtiger) wäre das Kommando \kern0pt, beispielsweise auf\kern0pt laden. Das ist natürlich umständlich und sieht im Quelltext furchtbar aus. 

In deutschen Texten sollte stattdessen das Kommando "| (Kauf"|haus) benutzt werden, denn es löst nicht nur die Ligatur auf, sondern zeigt gleichzeitig eine mögliche Trennstelle für den Wortumbruch am Zeilenende an. Dafür notwendig ist die Benutzung einer deutschen Sprachoption im babel-Paket: \usepackage[german]{babel}

Je nach Schriftart und deren OpenType-Funktionalität führt das Unterbinden der Ligatur jedoch nur zu einem unbefriedigenden Ergebnis, da weiterhin das Überhang-f benutzt wird (siehe Abschnitt 5.2). Richtiger wäre es, für genau diese Trennstellen die Standardligaturen (liga) zu deaktivieren. Unter LuaTeX geht das wie folgt:

Abb. 15 | Deaktivieren von Ligaturen in LuaTeX: In der oberen Zeile wird im Wort "woraufhin" die Standard-(common)Ligatur abgeschaltet; in der unteren Zeile wird die freie (discretionary) fb-Ligatur im Wort "Laufbahn" deaktiviert.

Wer das manuelle Unterdrücken von Ligaturen scheut, kann unter LuaTeX auch das selnolig-Paket einbinden und die Ligatur wird automatisch aufgelöst (siehe auch Abschnitt 2.3).

4.3 Whitelist für Ligaturen

Steht viel Nachbearbeitung an, kann folgende Liste helfen, betreffende Stellen zu identifizieren und ggf. mit Suchen & Ersetzen anzugehen.

Beginnen sollte man in deutschen Texten mit den Ligaturen fb, fh, fj und fk, denn sie stehen immer an Wortfugen, d.h. hier kann die Ligatur ohne Kontrolle immer aufgelöst werden:

Ligatur String zum Suchen Beispiel
fb aufb Aufbereitung, aufbringen, Aufbegehren
fb fbar greifbar, strafbar
fb fb* Dorfbewohner, Laufbahn
fk fk* scharfkantig, Senfkörner, Kopfkissen, Aufklärung
fh fh* Kaufhaus, aufhalten, daraufhin, krampfhaft

Andere Ligaturen wie fi sind dagegen fast nie an Wortfugen vertreten und entsprechend schwieriger zu finden; sonderbare Wortkombination wie "Schilf-insel" sind selten. Insbesondere die deutsche Sprache ermöglicht eine Vielzahl von freien Wort- und Silbenkombinationen, bei denen das f (und t) an der Wortfuge steht. Hier kommt man um das manuelle Prüfen nicht herum. Eine sehr erschöpfende Liste stellt die deutsche Wortliste des selnolig-Pakets bereit.

Ligatur String zum Suchen Beispiele
fl aufl aufladen, Auflage, auflösen, auflesen
fl flos hilflos, kampflos, schlaflos
nicht bei herabgeflossen u.ä.
fl flich verwerflich, begreiflich, brieflich
nicht bei verpflichtend u.ä.
fl flisch teuflisch
fl fling Fünfling
fl flung Verzweiflung
fl tiefl tiefliegend, Tieflader
fl hofl Hofladen
fl fler Freiberufler, Schnüffler, Zweifler
fl kaufl Kauflaune
fl zweifl zweifle
ff auff auffahren, auffassen, auffällig, darauffolgend
ff tieff tiefführend
ff ruff Anruffunktion
ff ffest grifffest
ft auft Auftrag, auftauen, auftischen
ft ftat Straftat
ft beschäft* beschäftigen
ft   Hoftür, Schopftintling
fft   Stofftuch
ffi auffi auffindbar
fr aufr Aufregung
tt entt, chtt enttäuschen, Nachttisch
tr entr Zeitraum, entrissen

5. Sonderfälle

5.1 ch/ck-Ligaturen


Die ch- und ck-Ligatur

In deutschen Antiqua-Texten der Vergangenheit (häufig aus den 1950er bis 1980er Jahren) werden außerdem die im Deutschen häufigen Buchstabenpaare ch und ck als Ligatur gesetzt. Beide werden in diesem Fall enger gesetzt, sind teilweise miteinander verschmolzen. Insbesondere Frakturschriftarten enthalten diese Ligaturen (Abb. 16).

Abb. 16 | Die ch/ck-Ligatur in Antiqua- und Fraktur-Schriften.

Je nach Schriftart ist die Verfügbarkeit dieser Ligaturen unterschiedlich. Die oben gezeigte Junicode enthält beispielsweise eine ch-Ligatur, bei der das h ein Schwänzchen hat. Im Mengentext kann das recht störend sein. Die Schriftart Libertinus Serif enthält dagegen "normale" Formen, enger gesetzt (Abb. 17a = keine Ligatur, Abb. 17b = Ligatur). Sie werden in beiden (wie in den meisten Fällen) über das OpenType-Feature dlig (discretionary ligatures) erschlossen.

Abb. 17 | Die ch/ck-Ligatur im Vergleich zum normalen Buchstabenpaar.

Wie man dlig in der Textverarbeitung LibreOffice anspricht, steht hier. Achtung: Mit dlig werden ggf. noch weitere Ligaturen aktiviert (bei Libertinus: Th, tt, tz), die man an Wortfugen wieder auflösen muß (siehe Abschnitt 4).

Man beachte, daß mit der Nutzung der häufigen ch/ck-Ligatur eine nicht unerhebliche Platzersparnis einhergeht (Abb. 18, aus der Libertinus Serif gesetzt). Das ist übrigens einer der Gründe, warum Frakturtexte so platzsparend und schön-umbrechend gesetzt werden können. Insbesondere in deutschen Texten können diese Art der Ligaturen für die Erfassung der Wortbilder vorteilhaft sein.

Abb. 18 | Platzersparnis (hellrot) bei Verwendung der ch/ck-Ligatur.

Hier noch ein Beispiel aus einer Robinson-Crusoe-Ausgabe von 1956, gesetzt aus einer Garamond-Antiqua (zwei Beispiele für ch und ck eingekreist):

Falls die Schriftart der Wahl keine solchen speziellen ch/ck-Ligaturen enthält, kann man sich unter TeX behelfen, indem man das manuelle Kerning verkleinert (überschreibt). Die genauen Werte muß man durch Herumprobieren herausbekommen:

nicht entdeckte
nic\kern-0.05emht entdec\kern-0.05emkte

Das sieht zwar im Quellcode nicht besonders hübsch aus (und verhindert auch die Wortsuche (Rechtschreibprüfung sowieso), aber es erfüllt seinen Zweck (Abb. 19).

Abb. 19 | Vergewaltigter TeX-Quellcode. Aber nur das Ergebnis (PDF) zählt.

Man bedenke, daß in Schriftarten, wo diese Ligaturen als eigene Unicode-Glyphen gesetzt werden müssen, der Trennalgorithmus am Zeilenumbruch versagen kann: "Bäcker" wird also nicht korrekt zu "Bäk-ker" aufgelöst ("ck" ist ja nur eine Umschreibung für "kk"), sondern zu "Bäck-er". Stehen ch/ck dagegen mitten auf der Zeile, fällt so etwas nicht auf.

5.2 Ligatur mit Überhang-f, schmale f-Form

Kommen wir zu einem sehr speziellen Problem der Typographie, das heute nur noch jene Schriftsetzer interessiert, die viel Liebe fürs Detail mitbringen: Es müßte diese Leute allerdings kümmern, daß zum korrekten Setzen deutscher Antiqua-Texte zwei verschiedene Formen des Minuskel-f erforderlich sind: eine schmale und eine breite Variante des Buchstabens.

Das Problem ist folgendes: In den meisten Antiqua-Schriftarten, die auf der Garamond basieren, gibt es eine Standard-Form des Minuskel-f, die hat einen relativ schweren "Überhang", d.h. einen Kopf-Tropfen, der weit nach rechts reicht (20a). Folgt dem ein Buchstabe mit x-Höhe, ist das kein Problem (20b) und im Fall einer Standard-Ligatur (fi, fl) verschmilzt der Überhang ordnungsgemäß, im Fall der fi-Ligatur bildet der f-Übergang gleichzeitig den i-Punkt (20c):

Abb. 20 | f-Formen

Gut ausgebaute Schriftarten enthalten allerdings noch viele weitere Ligaturen, die im Deutschen meist gar nicht anwendbar sind, denn sie liegen immer an einer Wortfuge (Morphem-Grenze) (Abb. 21a, 21b). Faustregel: keine deutsche Silbe beginnt mit fb, fh, fj oder fk.

Abb. 21 | Im Deutschen unmöglich anwendbare Ligaturen. In diesem Beispiel wird die Schriftart Libertinus Serif benutzt: Man erkennt, daß die Schriftart nur Ligaturen für fh, fj, fk enthält, nicht aber für fb. Entsprechend wird das Buchstabenpaar f-b ohne Überhang-f gesetzt.

Nun gut, wer professionelle Typographie betreiben will, der kommt nicht umhin, diese Ligaturen von Hand aufzulösen (Abb. 22a, 22b), siehe auch Abschnitt 4.

Abb. 22 | Manuelle Auflösung der Ligaturen. Im Beispiel werden die Ligaturen mit einem weichen Trennzeichen deaktiviert. Unter TeX erhielte man mit dem Kommando "| dasselbe Ergebnis.

Das Ergebnis der manuellen Auflösung ist denkbar unbefriedigend. Man sieht deutlich, daß das Minuskel-f mit Überhang mit dem Folgebuchstaben (h, k) kollidiert.

Die einzig richtige Lösung ist der Einsatz einer schmalen Variante des Minuskel-f. Sofern sie in der Schriftart enthalten ist, wird das schmale f genutzt, sobald die Standard-Ligaturen (liga) deaktiviert werden (Abschnitt 4.1 für LibreOffice, Abschnitt 4.2 für LuaTeX). Das Ergebnis mit schmalem f zeigt Abb. 23a,b.

Abb. 23 | Korrekt aufgelöste Ligaturen.

Eine gute Schriftart zeichnet sich außerdem darin aus, wie sie mit Buchstaben umgeht, die aufgrund ihrer Gestalt kollidieren könnten. Ein typisches Beispiel zeigt Abb. 24. Hier ist jeweils das „normale“ Überhang-f zusammen gesetzt mit einem f und einer schließenden Klammer. Je nach Schriftart wird automatisch ein schmales f verwendet (Libertinus Serif), so daß es zu keiner Kollision kommt, oder es werden beide Zeichen einfach aufeinandergeschoben und sie verschmelzen unschön (Times New Roman, Charis SIL). Eine Schriftart mit schmalem f ist also wirklich eine Bereicherung!

Abb. 24 | Der Kleinbuchstabe f kollidiert mit einer schließenden Klammer je nach Schriftart unterschiedlich.

Alle gezeigten Beispiele dieses Abschnitts wurden mit der Schriftart Libertinus Serif gesetzt, die in ihrem hervorragenden Glyphenumfang die schmale f-Form enthält. Üblich ist bei modernen Antiqua-Schriftarten (genauer: Garamond-Interpretationen) lediglich eine f-Form, nämlich die mit tropfenförmigen Überhang. Man kann damit leben, aber wer einen typographischen Anspruch erhebt, der muß sich der wenigen Schriftarten bedienen, die so eine Glyphe enthalten. In meiner Schriftarten-Tabelle gehen sowohl die Verfügbarkeit der ch/ck-Ligatur als auch der schmalen f-Form in die Wertung ein.


6. Nachteile von Ligaturen in digitalen Dokumenten

Die Anwendung oder Unterdrückung von Ligaturen kann bei der Arbeit mit dem Text folgende Nebenwirkungen haben:

  • Die automatische Rechtschreibprüfung des Textverarbeitungsprogramms unterkringelt Wörter mit manuell gesetzten oder manuell unterdrückten Ligaturen als »falsch«. (Verwendet man zusätzlich das lange Minuskel-ſ, wird ein Wort fast immer als »falsch« deklariert!) Das gilt sowohl für herkömmliche Textverarbeitungsprogramme (LibreOffice Writer) als auch für TeX-Editoren.
  • Ligaturen und auch das lange Minuskel-ſ verhindern mitunter die Durchsuchbarkeit eines exportierten PDFs. Eine Ausnahme bilden die Standard-Ligaturen fi und fl. Anders ist es mit aus LuaLaTeX kompilierten PDFs, in denen Ligaturen in Einzelbuchstaben aufgelöst werden und damit suchbar bzw. auf­findbar sind.
  • Quellcode-Dokumente können durch den exzessiven Einsatz von Ligaturen, insbesondere wenn man sie als Unicode-Glyphen direkt in den Quellcode einfügt, arg unlesbar aussehen (vgl. Abb. 19).